Das persönliche Gleichgewicht

von Sayeda

Oder: Ist die Komfortzone wirklich so schlecht?

Jeder hat die Wahl, seine Komfortzone zu verändern

Was die Komfortzone eigentlich ist

Jeder kennt bestimmt diese Aufforderung oder hat sie vielleicht auch schon gehört: „Verlass mal deine Komfortzone! Willst du ewig in diesem Trott bleiben? Wenn du sie nicht verlässt, wird nichts besser! Nimmt man sich solche Worte zu Herzen und möchte eine Veränderung in Angriff nehmen, löst das zu Beginn meist Angst aus und man weiß nicht so recht, wie man anfangen soll. In der Konsequenz zieht man sich dann wieder in die Komfortzone zurück.
Hinter solchen Aufforderungen steckt meistens eine ablehnende Haltung gegenüber der Komfortzone. Zwischen den Zeilen liest man Botschaften wie z.B.

„Wie kann man nur so faul sein?“, „Wie will er/sie einen Partner finden, wenn er sich nicht nach draußen begibt?“ „Ein so eintöniges Leben ist doch langweilig!“ Tatsächlich verurteilen also Menschen den Bereich des Lebens, in dem man vollkommen man selbst sein kann und verlangen, dass man diesen verlässt, um zu neuen Ufern auszubrechen. Die Absicht dahinter ist bestimmt meist wohlwollend, jedoch ziemlich fehlerhaft.

Folgendes sollte man sich klar machen: Menschen schaffen sich keine Komfortzone, weil sie faul, geizig oder unfreundlich sind, sondern weil sie im Leben geradezu notwendig ist! Das Leben ist unvorhersehbar, kann anstrengend sein und sehr viel abverlangen, dass viel Energie kostet. Sei es im Beruf, im sozialen Bereich oder in der Familie. Da braucht es zumindest einen wenn auch scheinbaren, sicheren Hafen, der für Ausgleich sorgt. Ein Ort, an dem man sich ausruhen und ungestört seinen Gewohnheiten und Interessen nachgehen kann. Der einem dabei hilft, wieder Kraft zu tanken.

Dies beginnt schon in unserer Kindheit. Nicht ohne Grund brauchen Kinder schon relativ früh ihr eigenes Zimmer und noch dringender in ihrer Jugend, wo sie mit den Strapazen des Erwachsen Werdens fertig werden müssen. Aber erst als Erwachsener, wenn wir komplett auf eigenen Beinen stehen, haben wir die Chance, uns vollkommen uneingeschränkt eine Wohnung so einzurichten, dass wir uns absolut wohl fühlen. Erst da schaffen wir uns also die Komfortzone und somit die Möglichkeit, einen Ausgleich in unserem Leben zu haben.

Die Komfortzone ist also kein Ort, an dem man vor sich hin trottet, sondern der Bereich, an dem man sich ausruhen kann. Diese sieht bei jedem Menschen anders aus, schlicht weil Menschen einfach verschieden sind und das Leben unterschiedlich bewältigen. Jemand hat vielleicht einen anstrengenden Job und möchte seinen Feierabend mit Lesen verbringen. Jemand der in seiner Tätigkeit viel mit Menschen zu tun hat, will vielleicht Musik hören, während jemand mit genau derselben Arbeit seine Zeit lieber mit Freunden verbringt. Jemand, der viel reist, ist dagegen froh, einfach zuhause nichts tun zu müssen.

Die Komfortzone nicht verlassen, sondern erweitern

Einen Menschen also einfach dazu aufzufordern, die Komfortzone zu verlassen, ohne dabei dessen persönlichen Hintergrund zumindest teilweise zu kennen, führt also langfristig nur in eine Sackgasse.

Woraus genau besteht also deine Komfortzone? Hattest du bisher immer denselben Trott und willst etwas verändern, weil es dich so nicht mehr glücklich macht? Gleichzeitig hast du aber auch Angst davor und weißt nicht so genau, wie du es anstellen sollst? Dann hilft dabei zunächst vielleicht folgende Denkweise: Stell dir vor, dass du deine Komfortzone nicht verlässt, sondern sie erweiterst. Du schaffst dir sozusagen mehr Wohlfühlbereiche.

Mach dir zudem folgendes bewusst: Deine jetzige Komfortzone hast du dir auch nicht ohne Probleme geschaffen. Als es an der Zeit war, von zuhause auszuziehen und flügge zu werden, kam auch einiges an Arbeit auf dich zu. Die passende Wohnung zu finden, den Umzug zu organisieren und dich anschließend einzurichten. Du hattest wahrscheinlich Hilfe dabei und dennoch war es für dich eine Herausforderung, die dir ein flaues Gefühl im Magen verursacht hat. Trotzdem hast du es durchgezogen und nach einer gewissen Zeit hat sich alles mit der Zeit selbst eingependelt und ohne es zu merken, hast irgendwann gar nicht mehr darüber nachgedacht.

Wenn du also wirklich etwas nachhaltig verändern willst, hilft es nichts, darauf zu warten, dass die Angst irgendwann verschwindet. Viel eher musst du Wege finden, richtig mit ihr umzugehen, um dich dennoch auf etwas Neues einlassen zu können. Du kannst dir einen Plan zurechtlegen, oder jemanden um Hilfe bitten, der mehr Erfahrung hat. Es wird zumindest am Anfang ein etwas komisches Gefühl auslösen, wenn du es schließlich beginnst. Das ist wie mit neuen Schuhen, die du erst einlaufen musst, bevor du dich ganz wohl darin fühlst. (Trotzdem haben sie dir so gut gefallen, dass du sie gekauft hast.) Wenn du wirklich unzufrieden oder unglücklich bist, dann wirst du es auch durchziehen, weil diese Motivation jedwede mögliche Angst um ein vielfaches aufwiegt. Die anfängliche Anstrengung, etwas neues in deinem Leben zur Gewohnheit werden zu lassen, wirst du bald vergessen haben, eben weil es eine neue Gewohnheit ist, mit der du dich wohl fühlst.

Jeder Mensch hat eine Komfortzone

Sollten zudem Freunde oder wahrscheinlicher Bekannte dich mal wieder dazu auffordern, deine Komfortzone zu verlassen, dann kannst du folgendes frech erwidern: Wenn es so einfach ist, die Komfortzone „zu verlassen“, dann probiere es doch selber. Höchstwahrscheinlich werden sie dich überrascht oder verwirrt angucken, weil sie denken, keine Komfortzone zu haben. Schließlich treiben sie Sport, unternehmen viel und verbringen viel Zeit draußen. Aber genau das ist deren Komfortzone. Sie besteht nur aus anderen Gewohnheiten. Bring mal eine Sportskanone dazu, zwei Wochen lang anstelle vom regelmäßigen Workout, mit malen zu verbringen oder einen der jeden Tag um die Häuser zieht, sich vor den Fernseher zu setzen. Oder bringe eine Shopping-Königin dazu, ihr Wochenende bei einem Bastelkurs zu verbringen. Spätestens nach ein paar Tagen oder Wochen wird sie das wahnsinnig machen, einfach will es sie nervt und nicht ihren üblichen Gewohnheiten und Interessen entspricht.

Der einzige, der darüber entscheiden sollte, etwas an seiner Komfortzone zu verändern, bist also nur du selbst.

Alles Liebe

Sayeda